Opfer der Euthanasie

Die Nationalsozialisten bereiteten die Tötung von geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen und anderen ihnen „unerwünschten Elementen“ systematisch vor. Bereits im Jänner 1934 tritt das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchs“ in Kraft, auf dessen Grundlage die Nationalsozialisten fortan zwangsweise Sterilisationen und Abtreibungen anordnen konnten. Das Gesetz trat am 1. Jänner 1940 auch in Österreich in Kraft. Betroffen waren vor allem Personen, die an „Schizophrenie, Epilepsie, erblicher Blindheit und Taubheit, schweren körperlichen Missbildungen, Alkoholismus, manisch-depressiven Zuständen oder angeborenem Schwachsinn“ litten.

1935 deutete Hitler auf dem Reichsparteitag in Nürnberg gegenüber Reichsärzteführer Wagner an, dass er beabsichtige, die „unheilbar Geisteskranken zu beseitigen“. Die Absichten dahinter waren sowohl rassistischer als auch wirtschaftlicher Natur: die „Beseitigung“ rassisch „Minderwertiger“ und die damit verbundene Senkung der Kosten für ihre Betreuung und Versorgung.
Der Massenmord beginnt mit der „Kindereuthanasie“: Am 18. August 1939 erging ein Runderlass, demzufolge dem Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden jedes „missgestaltete Neugeborene“ zu melden war. Dies galt rückwirkend auch für Kinder bis zu drei Jahren. Die Verpflichtung betraf Ärzte, Schwestern und Hebammen.
In sogenannten „Kinderfachabteilungen“ in Heilkliniken wurden die Kinder durch eine Injektion mit dem Medikament Luminal, Nahrungsentzug oder absichtlich herbeigeführten Lungenentzündungen getötet. So wurde in der Wiener Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ 1940 die städtische Kinder- und Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ eingerichtet. Dort starben zwischen 1940 und 1945 mindestens 800 Kinder und Jugendliche, darunter mindestens 20 aus Kärnten. Auch im Gaukrankenhaus Klagenfurt wurden derartige Tötungen durchgeführt.

Parallel dazu liefen Vorbereitungen, um auch psychisch und physisch beeinträchtigte Erwachsene gezielt zu töten. Benannt wurde diese sogenannte „T-4 Aktion“ nach der Adresse der Organisationszentrale in Berlin – Tiergartenstraße 4. Ab Anfang 1940 erfolgte die massenhafte Ermordung, nach „Probevergasungen“ in den annektierten polnischen Gebieten, in Gaskammern. Verwendet wurde Kohlenmonoxyd, das in Stahlflaschen angeliefert wurde. Getötet wurden nicht nur geistig und körperlich Beeinträchtigte, sondern auch PatientInnen mit chronischen Krankheiten.
Die Tötungen fanden in abseits gelegenen Anstalten statt. (Bernburg, Brandenburg, Grafenek, Hadamar, Hartheim, Sonnenstein). Betroffene Personen aus Österreich wurden in der Regel in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz deportiert, wo sie meist unmittelbar nach ihrer Ankunft in als Duschen getarnten Gaskammern ermordet werden. Im Falle von „Platzproblemen“ wurde auch die nahe gelegene Heilanstalt Niedernhart als Zwischenstation genutzt.
Die Angehörigen der Opfer wurden zu keiner Zeit über die wahre Todesursache in Kenntnis gesetzt. In vielen Fällen wurden die Mitteilungen aus weit entfernten Tötungsanstalten versendet, damit Angehörige gar nicht erst auf die Idee kamen, anzureisen und unangenehme Fragen zu stellen.

Einzelne evangelische Bischöfe, wie der württembergische Landesbischof Theophil Wurm oder der Bischof von Münster, August von Galen, protestierten 1940 gegen die NS-Euthanasie. Auch seitens der Bevölkerung regt sich zunehmend Widerstand. Nach diesen kirchlichen Protesten wurde die „T-4 Aktion“ im August 1941 zwar offiziell gestoppt, inoffiziell wurden die Tötungen nun jedoch dezentral, d.h. in den jeweiligen Einrichtungen vor Ort und nicht mehr in zentralen Tötungsanstalten, fortgeführt. Dieser dezentralen Euthanasie fallen nun auch Arbeitslose, Prostituierte, „Asoziale“ und sonstige in den Augen des Regimes „missliebige“ Personen zum Opfer. In Kärnten werden diese Menschen vor allem im Gaukrankenhaus Klagenfurt getötet.

Die „T-4 Aktion“ ist heute ziemlich gut erforscht. Ihr fielen ihr mehr als 70 000 Menschen zum Opfer, der späteren dezentralen Euthanasie weitere 50 000 Menschen.
In Kärnten sind der „T-4 Aktion“ mindestens 600 Menschen zum Opfer gefallen; der späteren dezentralen Euthanasie mindestens 800 Menschen.

Der Euthanasie-Prozess in Kärnten

Im Gaukrankenhaus Klagenfurt werden im Hinterhaus des Siechenhauses sowie in den Räumen der Psychiatrie zwischen 1941 und 1945 mindestens 700 Männer, Frauen und Kinder ermordet. Im März und April 1946 müssen sich für diese Verbrechen MitarbeiterInnen des Gaukrankenhauses verantworten. Die Hauptangeklagten, Dr. Franz Niedermoser (Leiter der Psychiatrie), Antonia Pachner (Hebamme und Oberschwester des Siechenhauses) und Ottilie Schellander (Oberschwester der Psychiatrie) werden zum Tode verurteilt, jedoch wird dieses nur an Dr. Niedermoser vollstreckt. Das Urteil der Frauen wird in langjährige Haftstrafen umgewandelt. Weitere Mitangeklagte werden frei gesprochen bzw. nach kürzeren Haftstrafen entlassen.

Quellen und weiterführende Literatur: 
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß, DTV 1998.
Herwig Oberlerchner; Helge Stromberger: Sterilisiert, vergiftet und erstickt. Das Wüten der NS-Euthanasie in Kärnten, Klagenfurt 2017.
Helge Stromberger: Die Ärzte, die Schwestern, die SS und der Tod. Kärnten und das produzierte Sterben im NS-Staat, Klagenfurt 2002.
Kärntner Landesarchiv, Landesgericht Klagenfurt, Strafakten, Niedermoser-Prozess (Vg Vr 907/45).