Link Franz

  • geboren am 13. Februar 1894 in Oberlienz
  • deportiert im Jahre 1941 ins Ghetto von Lodz
  • zuletzt gemeldet in ?

Franz Link wurde als Angehöriger der Volksgruppe der Sinti im April 1941 von der Kriminalpolizei in Kärnten verhaftet, der Kriminalpolizei Linz übergeben und von letzterer in das Zigeuneranhaltelager Weyer/Gemeinde St. Pantaleon in Oberösterreich eingeliefert. Nach Auflösung des St. Pantaleoner Lagers im November 1941 deportierte man alle 301 Häftlinge in das burgenländische Lager Lackenbach und von dort weiter nach Polen in das Ghetto von Lodz. Von hier aus kam er in das Lager. Chelmo/Kulmhof und erstickte sie dort mit Dieselabgasen in einem eigens dafür hergestellten Kastenwagen. Der Todestag Franz Links ist nicht bekannt.

Tochter Hilda Maria Link, geboren am 25. Mai 1932 in Bruggen bei Greifenburg, gestorben zwischen November 1941 und Jänner 1942 im Ghetto Lodz oder im Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof)

Betrachtet man die erhalten gebliebene Liste der Internierten des „Zigeunerlagers“ von St. Pantaleon im oberösterreichischen Innviertel, so sticht ins Auge, dass drei Familiennamen dominieren: Held, Seger und Link. Allein 14 der Eingewiesenen tragen den Namen Link, unter ihnen wiederum ist das achtjährige Mädchen Hilda Maria zu finden, „geboren am 15. Mai 1932 in Bruggen”. Neben ihr sind weitere Kinder mit dem Namen Link aufgelistet, die an unterschiedlichen Orten in Kärnten, Niederösterreich oder Bayern geboren wurden. Möglicherweise ein Hinweis darauf, welche Kreise Angehörige der Familie Link auf den Reisen in ihren Wohnwagen – die Sinti waren traditionell fahrende Händler (Pferde), Handwerker, Schauspieler und Musiker – gezogen haben. Eine Station war bestimmt Bruggen bei Greifenburg, wo Hilda Maria Link im Haus Nr. 10 zur Welt kam – so ist es im Geburtsbuch der Pfarre Waisach bei Greifenburg verzeichnet. Ihr Vater, Franz Link, war Musiker, gebürtig in Oberlienz. Die Mutter hieß Mathilde und stammte aus der Sinti-Familie Seger, etliche ihrer Verwandten lebten in den äußeren Bezirken Villachs, vor allem in Seebach. Manche Sinti hatten den Winter über einen festen Wohnsitz in Kärnten und begaben sich im Frühjahr und Sommer auf „Reise“, die schulpflichtigen Kinder blieben in Kärnten. Doch mit der „Fahrt“, dem Unterwegs-Sein, dem Auf-der-Reise-Sein, dem „Herumzigeunern“, wie es im Volksmund der Ansässigen und Festsitzenden abfällig hieß, war es spätestens nach dem Sommer 1939 ganz vorbei, denn am 17. Oktober erließ der Reichsführer der SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, den so genannten „Festschreibungserlass“: Damit war es „Zigeunern und Zigeunermischlingen“ untersagt, ihren augenblicklichen Wohn- und Aufenthaltsort bis auf weiteres zu verlassen. Die Kärntner Sinti, die sich auf „Fahrt“ befanden, saßen nun fest und waren ihrer traditionellen Lebensweise und ihrer Verdienstmöglichkeiten, im Falle von Franz Link der des Musizierens, beraubt. Roma und Sinti waren nun der Fürsorge jener Gemeinden zugewiesen, in denen sie sich zufällig befanden – ganz zum Missfallen der lokalen Behörden, die sich diesbezüglich auch Gehör verschafften. Es entstand sozusagen „von unten“ Druck, die „Zigeuner“ wegzuschaffen, eine „Lösung“ für das von den NS-Behörden selbstgeschaffene „Problem“ zu finden. Mit dem Überall der Deutschen Wehrmacht auf Polen bot sich die Gelegenheit neben den Juden auch die etwa 30.000 „Zigeuner“ los zu werden, die Idee, sie außerhalb des Reiches, also weg zu schaffen, gab es schon länger. Voraussetzung dafür war erstens die Erfassung der Weggewünschten – was die österreichischen Behörden mit einer „Zigeunerkartothek“ schon ab 1921 geleistet hatten und die nun von den Nationalsozialisten genutzt werden konnte – sowie zweitens ihre Konzentration in Lager. Die Kriminalpolizeileitstellen schritten zur Tat und richteten entsprechende Sammellager ein, etwa in Lackenbach (Burgenland) oder eben in Weyer. Bereits bestehende Anhaltelager wie jenes in Salzburg-Maxglan wurden zu „Arbeitslagern“ ausgebaut. Die Kriminalpolizei lieferte die in den Dörfern festgesetzten Roma und Sinti in die Lager ein. Die Entscheidung zur Deportation der österreichischen Roma und Sinti nach Polen fiel am 1. Oktober 1941. Im November wurde das Zigeuneranhaltelager in Weyer folglich aufgelöst, die überlebenden 301 Häftlingen wurden – wie Ludwig Laher schreibt – „nur spärlich bekleidet, in Bürmoos in Viehwaggons verladen und nach einem kurzen Zwischenaufenthalt im burgenländischen Lackenbach ins Zigeunerghetto Lodz transportiert, von wo keines der Opfer lebend zurückgekehrt ist.“

Was geschah in Lodz? Im Winter 1941 sollten 20.000 Juden und Jüdinnen und 5.000 „Zigeuner“ im Getto untergebracht werden. Dagegen protestierte der deutsche Oberbürgermeister der polnischen Stadt, weil er unhaltbare Zustände voraussah. Doch es war ihm nicht um das Wohl der Ankömmlinge getan. In Lodz jedenfalls sorgte man nicht etwa dafür, dass sie adäquat untergebracht oder ernährt werden könnten. Die Roma und Sinti aus dem ehemaligen Österreich wurden in einen katastrophalen Zustand gebracht – auf engstem Raum zusammengepfercht, ohne hygienische Einrichtungen oder auch nur grundlegende Verpflegung. Die unterernährten Körper reagierten rasch – sie wurden krank. Fleckfieber brach aus und nach zwei Monaten waren bereits 613 Menschen tot. Es gab nicht die geringste Bereitschaft die durch das Getto geschaffenen Lebensbedingungen der „Fremdrassigen“, „Asozialen“, gedemütigten und zum Abbild aller bösen Vorurteile gemachten Sinti und Roma zu verbessern oder das Fleckfieber durch hygienische und medizinische Maßnahmen zu bekämpfen. Stattdessen entschieden die deutschen Behörden, die mit diesen Zuständen gerechnet hatten, auf Massenmord und diese Entscheidung zum Massenmord ging einher mit einem Experiment für effizientes, massenhaftes Töten, das im Schloss der nahegelegenen Stadt Chelmno (Kulmhof) seit 7. Dezember 1941 im Gange war. Das Reichssicherheitshauptamt hatte dort ein Lager errichtet, nicht etwa um Juden oder „Zigeuner“ zur Arbeit zu zwingen oder gefangen zu halten, sondern um sie geradewegs und möglichst umstandslos zu vernichten. Zu diesem Zweck wurden drei Lastwagen zu Gaswagen präpariert und nach Chelmno gebracht. Die ersten Opfer waren Juden aus den Gemeinden der Umgebung. Die Täter zwängten sie in die Lastwagen, verschlossen und verriegelten die Türen und stellten sodann den Motor an. Innerhalb weniger Minuten erstickten die Opfer im Gas. So wurden – als Auftakt zur millionenfachen fabriksmäßigen Vernichtung von Menschen – auch all jene Sinti und Roma aus Österreich ermordet, die die Seuchen in Lodz überlebt hatten. Die Leichen wurden in einem Wald verscharrt und später in Öfen verbrannt.

Niemand der 5007 von Lackenbach nach Lodz deportierten Sinti und Roma hat überlebte, niemand von ihnen konnte über diese vollendete Katastrophe aus Menschenhand, in der Sprache der Roma und Sinti „Porajmos“ – „das Verschlingen“ – genannt, Zeugnis ablegen. Faktum zum Tod der Einzelnen ist einzig, dass sie nie mehr aufgetaucht sind, so auch nicht Franz und Mathilda Link und ihre Tochter Hilda Maria, die sie in Bruggen, Hausnummer 10, zur Welt gebracht hatten, neun Jahre bevor sie allesamt in einer zum Tode zugerichteten Masse, nach einer Kette von ineinandergreifenden, stufenweise radikalisierten Maßnahmen, vom österreichischen Dorf bis zur Endstation in Chelmno, „verschlungen“ werden sollten.

Nachsatz: Jene Roma und Sinti, die das „Porjamos“ überlebt hatten, wurden in der 2. Republik weiter geächtet. Bis 1988 hatten sie große Schwierigkeiten ihre Ansprüche in der Opferfürsorge durchzusetzen, erst dann wurden die „Zigeunerlager“ als „KZ-ähnliche“ Lager anerkannt. Einer der wenigen, die sich schon unmittelbar nach 1945 bemüht haben, die Verfolgung der Sinti und Roma auf Grund von Zeugenaussagen zu dokumentieren, war der aus Dellach/Drau stammende Mauthausen-Überlebende und KPÖ-Funktionär Josef Nischelwitzer. Seine Versuche, den Klagenfurter Kriminalinspektor Karl Malle wegen dessen Beteiligung an der Deportation der Kärntner Sinti vor Gericht zu bringen, schlugen fehl. Die Anzeige gegen den weiter im Amt befindlichen Kriminalinspektor wurden niedergeschlagen und damit auch jegliche öffentliche Diskussion über die Ermordung der Kärntner Sinti. Karl Malle wurde im Jahre 1950 zum Leiter der Kriminalpolizei Klagenfurt ernannt.

Siehe auch Josefine Blach

Quellen:
Geburtsbuch der Pfarre Waisach, tom. VII, fol. 180, Zl. 8/1932, Archiv der Diözese Gurk; Zigeuneranhaltelager Weyer, Verzeichnis über jene Zigeuner, die am 11.4.1941 von Kärnten eingewiesen wurden, Kopie im Besitz des Autors; Liste der im Zigeuneranhaltelager Weyer Internierten (beides übermittelt von Ludwig Laher), auch DÖW 51412; Tagebuch des ehem. Zigeunerlagers Lackenbach, DÖW 11.340; Schreiben von Ludwig Laher an P.P., 23.3.2006 u. 26.3.2006; Sinti in Villach. Geächtet – Verfolgt – Ermordet, http://www.net4you.net/erinnern/namen/sinti.html; Internetseite der Gedenkstätte Lager Weyer/Innviertel http://members.surfeu.at/lager.weyer/; Ludwig Laher: Herzfleischentartung, Innsbruck 2001; Ludwig Laher: Das Arbeitserziehungs- und Zigeuneranhaltelager St.Pantaleon-Weyer. Ergänzung einer Ortschronik, http://reachme.at/lager.weyer; Ludwig Laher: Rede anlässlich der Wiedereröffnung des Denkmals der Namen, http://www.net4you.net/erinnern/texte/ludwiglaher.html; Historikerkommission (Hg.): Vermögensentzug, Restitution und Entschädigung der Roma und Sinti, Wien 2002; Florian Freund: Geschichte der Verfolgung der österreichischen Roma und Sinti 1938-1945, www.doew.at; Gernot Haupt: Sinti und Roma – geächtet – verfolgt – ermordet. Über den Genozid an den Sinti und Roma in Europa während des Nationalsozialismus, Referat am 21.11.2005, Musil Haus Klagenfurt; Michael Zimmermann: Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, in: Ulrich Herbert (Hg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik, Frankfurt/Main 1998, 235-262; Israel Gutman (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust, Bd. I, München 1998; Die Roma in Österreich, Infoblatt der Servicestelle für politische Bildung, Nr. 4, 12/2004; Hans Haider: Abschied von Helene Weiss – die „Sidonie“ von Klagenfurt, in: schulheft, 2006/1.

PP