Otto Friessner – Novemberpogrom 1938

Mein Vater war Eisenbahner, Schmied von Beruf. Meine Mutter kam vom Bauernhof.
Mit 6 Jahren bin ich zu den Kinderfreunden gegangen und dann später zu den roten Falken. Unser Erzieher war Alois Buttinger. Wir trafen uns immer im „Sonnenhof Lind“ 1936 wurde ich ausgeschult und 1937 bekam ich eine Lehrstelle beim Konsum.
Als es im März 1938 zum sogenannten Anschluß kam wurde der Konsum sofort aufgelöst. Es erfolgte eine Umbenennung in Verbrauchergenossenschaft und ein kommissarischer Leiter wurde eingesetzt. Am ersten September 1939, als der Krieg ausbrach, bin ich mit 17 Jahren Leiter der „Konsum-Filiale“ in Lind geworden. Nach dem Anschluß hat sich im Konsum eine Widerstandszelle gebildet. Ich erinnere mich noch an die Genossen Janz, Traninger Paul, Zwitter Valentin, Schicho Anton. Vor allem sammelten wir Geld für in Bedrängnis geratene Genossen. Auch mit Lebensmittel haben wir geholfen. Es gab immer ein „schwarzes Lager“ mit Lebensmitteln. Unsere Kontaktperson, der wir immer unsere Spenden übergaben, war Genosse Populorum, später SPÖ-Stadtrat von Villach.
Im Jahre 1941 bin ich eigerückt. Zuerst kam ich zum Reichsarbeitsdienst (RAD), dann zur Wehrmacht. 1945 geriet ich in französische Kriegsgefangenschaft.
An das Judenpogrom im November 1938, die sogenannte „Kristallnacht“, kann ich mich recht gut erinnern. Ich bin damals um 15 Uhr 30 mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Als ich in die Peraustraße einbog sah ich wie beim Notar Weissberger verschiedene Sachen aus dem Fenster geschmissen wurden. Ein großes Klavier, das nicht durch das Fenster passte, zerschlug man zuerst und warf dann die einzelnen Teile herunter. Dabei wurde geschrien und gejohlt. Ich bin dann weitergefahren in die Italienerstraße zum Fischbach. Auch hier bot sich mir ein Bild der Verwüstung. Unter dem Gejohle einer Menschenmenge wurde buchstäblich alles, Bettwäsche, Bilder, Geschirr, usw., aus dem Fenster geschmissen. Am Abend bin ich mit dem Fahrrad über den Hauptplatz nach Hause gefahren. Das Geschäft des Juden Filip Lilian am unteren Hauptplatz war ebenfalls ausgeplündert. Viele Sachen sind auf dem Platz herumgelegen. Der Herr Lilian ist vor dem Geschäft auf einem Rucksack gesessen und hat geweint. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Gleich nach dem „Anschluß“, noch im März 1938, sind alle „jüdischen Geschäfte“ gekennzeichnet worden, indem man „JUDE“ auf das Geschäft hinaufschrieb. Es war verboten bei einem Juden einzukaufen. Leute, die es trotzdem wagten, stellte man zur Rede. Einmal habe ich beobachtet wie man drei oder vier Leute, es waren keine Villacher, den Hauptplatz hinunter führte. Sie hatten alle eine Tafel umgehängt auf der geschrieben stand: „Dieses arische Schwein kauft bei einem Juden ein“.

Quelle:
Aufzeichnung eines Gesprächs mit Hans Haider im Oktober 1998