Josef Peskoller – Weihnacht 1944

Am 17. und 18. Dezember 1944 standen die Genossen Erich Ranacher, Valentin Clementin, Heinrich Brunner, Josef Ribitsch, Milan Jelic, Gretl Jessernig, Maria Peskoller und Rosa Eberhard neben anderen weniger belasteten Genossen vor dem höchsten Gerichtshof des Dritten Reiches unter dem Vorsitz des berüchtigten Vorsitzenden des deutschen Gerichtshofes Dr. Freißler.

Was hatte man den Angeklagten zum Vorwurf zu machen? Den Männern, die sich dem Dienst für Hitlers Kriegsmaschine entzogen, sich hier im Gegendtale zu einer Widerstandsgruppe zusammengefunden und für Österreichs Freiheit gekämpft haben. Den Frauen, dass sie diese Freiheitskämpfer unterstützt, dem verwundeten Freiheitskämpfer Erich Ranacher, Sohn eines Lienzer Eisenbahners, Verpflegung, sanitäre Hilfe und Unterkunft verschafft haben. Es war klar, dass es die Wut der Nazibonzen und der Gestapo entfachte, dass man nicht nur mit den slowenischen Partisanen nicht fertig werden konnte, sondern, dass jetzt noch dazu im deutschsprachigen Kärnten, österreichische Partisanen dem Beispiel ihrer slowenischen Brüder folgend, den Kampf gegen Hitlers Agenten aufnahmen und sie witterten Gefahr, dass diese Bewegung um sich greifen könnte. Daher waren sie entschlossen, mit den brutalsten Mitteln zuzuschlagen und an den nun gefangenen Kämpfern ein Exempel zu statuieren, mit anderen Worten der Bevölkerung zur Warnung ein abschreckendes Beispiel vor Augen zu führen. Das Urteil stand daher von vornherein fest, es lautete: Das sogenannte Volksgerichtsprozessverfahren ist eine Komödie. Der Vorsitzende sparte nicht mit Ausdrücken wie Gauner, Verbrecher, Banditen, kommunistische Untermenschen, die vom Erdboden vertilgt werden müssen usw.

Es war Montag abends, als sich im Landgericht Klagenfurt die Nachricht verbreitete, das Schnellgericht des Volksgerichtshofes habe acht Todesurteile gefällt, darunter drei Frauen. Da ich im selben Landgericht (Gestapoabteilung) in Haft war, bemühte ich mich zu erfahren, ob meine Frau unter den Verurteilten sei, konnte aber keine Auskunft darüber bekommen, war aber darauf gefasst. Erst am nächsten Tag erhielt ich diese tragische Gewissheit. Dienstag, den 19. Dezember, wurde ich zwecks Durchführung des gegen mich laufenden Strafverfahrens in die Gerichtsabteilung des Landesgerichtes überstellt. Zu diesem Zwecke musste ich zur Erledigung der Aufnahmeformalitäten in die Aufnahmekanzlei. Dort hatte ich Gelegenheit, mit einer Hausarbeiterin mich in Verbindung zu setzen, die mir Nachricht von meiner Frau überbrachte und von mir wenigstens eine kurze aufrichtende Nachricht und Grüße für sie übernahm. Da es schon ziemlich spät war, konnte ich an diesem Tage nicht mehr eingeteilt werden und musste in der sogenannten Zuwachszelle diese Nacht verbringen. Es war bitter kalt, da durch das zerbrochene Fenster die eisige Dezemberluft hereinströmte und in der kahlen Zelle bloß zwei Holzpritschen standen, mit je einem Fetzen, der einmal eine Pferdekotze gewesen sein mochte. Ich konnte keinen Schlaf finden und nimmer wollte die Nacht ein Ende finden. Immer das schreckliche Los meiner Frau und ihrer Leidensgenossen vor Augen und die Frage, wird man mich mit meiner Frau noch einmal sprechen lassen, werde ich sie noch einmal sehen? Nächsten Tag, Mittwoch, wurde ich in den ersten Stock des Landesgerichtes überstellt und tags darauf kam ich mit drei zum Tod verurteilten Genossen beim Hofspaziergang zu sprechen, es waren dies Genosse Ranacher, Brunner und Ribitsch. Sie waren sehr gefasst, trugen eine stolze aufrechte Miene zur Schau, obwohl sie wussten, dass keine Rettung mehr möglich war. Wir hatten alle Möglichkeiten zu einer Flucht überdacht, aber die Bestie hatte sich ihrer Opfer versichert und ließ sie nicht mehr los. In Ketten gelegt, Tag und Nacht unter scharfe Bewachung gestellt, war diese Flucht einfach nicht mehr durchzuführen. Am Freitag, den 22. Dezember, wurden alle acht Opfer nach Graz überstellt und am 23. Dezember von den Gestapohenkern hingerichtet. Die Todesart haben wir nie erfahren können. Die Kinder der drei ermordeten Frauen, die zum Teil auch eingesperrt waren, waren nun Waisen, die Kinder der Frau Jessernig Vollwaisen. Kein Besuch war ihnen bewilligt worden. Nur das mutige Auftreten einer menschlich gesinnten Aufseherin hat es bewirkt, dass meine Frau mit ihrer eingesperrten Tochter Helga eine heimliche kurze Zusammenkunft haben konnte. Das fassungslos weinende Kind beruhigte eine dem Tod geweihte Mutter mit den Worten: „Weine nicht Helga, Du brauchst Dich deiner Mutter nicht zu schämen, sie hat nur das getan, was Nächstenliebe und Menschenpflicht von ihr forderten. Der Nazistaat lässt Räuber und Mörder frei gehen. Deine Mutter aber hat keine Gnade gefunden – ich bereue die Tat nicht. Du wirst später frei jeden Menschen ins Auge sehen können. Wir wollen nichts anderes, als das Ende dieser Tyrannei und unsere Freiheit.“

Das waren die letzten Worte einer Mutter an ihr Kind. Zwei Tage später machten die Schergen Hitlers ihrem und dem Leben ihrer Kampfgefährten ein Ende.

Wir aber, die Überlebenden dieses verfluchten Hitlersystems schwören als Gelöbnis der Treue zu den gefallenen Kämpfern für Freiheit und Ehre nie zu ruhen, allen Widrigkeiten zum Trotz, bis wir die Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs gesichert wissen.

Quelle:
Abschrift eines Zeitungsartikels von Josef Peskoller, langjähriger Gemeinderat der KPÖ-Villach nach dem Krieg und Ehemann von Maria Peskoller, die im Dezember 1944 in Graz hingerichtet wurde. Dieser Artikel ist am 22. 12. 1945 im Volkswille erschienen.